Wallstreet-online.de, im Interview mit Lutz Hering:

Gastautor: Rainer Brosy


Herr Hering, wie schätzen Sie die Lage am Zinsmarkt ein?

Die Lage ist bescheiden. Die Gründe dafür liegen für jeden sichtbar auf der Hand.

Die weltweite Verschuldung der Staaten hat sich mit dem Corona-Lockdown massiv erhöht und liegt höher als nach dem 2. Weltkrieg. In Folge dessen kam es weltweit zu Zinssenkungen, um die Schuldenberge beherrschbar zu machen.
Der Abbau dieser Verschuldung wird Jahrzehnte in Anspruch nehmen und wird nicht das Problem unserer Kinder sein, sondern eine Herkulesaufgabe für unsere Enkel.

Was bleibt, wird ein dauerhaft niedriges Zinsniveau sein, welches gepaart mit etwas Inflation zu einer negativen Realverzinsung führt. Der Fachbegriff hierfür lautet: „finanzielle Repression“ übersetzt: „schleichender Sparverlust“.

Gibt es aus Ihrer Sicht überhaupt noch die Möglichkeit für Zinserträge?

Zinsen gibt es allerorts. Leider sind diese zumeist mit einem negativen Vorzeichen ausgestattet. Hegt der Anleger den Wunsch nach positiven Renditen, dann bleiben meist Schuldner wie Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland übrig. Ein wichtiges Detail ist dabei erwähnenswert. In Summe sind diese Staaten in ihrer Geschichte bereits 20 mal Pleite gegangen …. Sicherlich gibt es noch vereinzelte Sparanlagen, die auf den ersten Blick attraktiv erscheinen mögen. Aber eben nur so lange, wie der Anleger Gebühren, Steuern und Inflation ausblendet.
Auch des Deutschen Lieblingskind, die Kapitallebensversicherung, ächzt unter den Niedrigzinsen. Die meisten Versicherer garantieren mittlerweile nur noch das eingezahlte Kapital – Adé Garantiezins!


Was bringt die Zukunft?

Aus unserer Sicht wird es nicht zur klassischen Inflation (Geldentwertung) kommen. Aber eine Vermögensinflation sollte man doch in Betracht ziehen. Dies würde bedeuten, dass sich bestimmte Vermögenswerte im Preis verteuern. Denn wenn Geld scheinbar in unbegrenzter Menge zu einem Nullzins zur Verfügung steht, dann wird sich dieses Geld einen Kanal zur Investition suchen. Die Ausläufer dieser Geldpolitik sind schon heute sichtbar. Die Preise von Immobilien, Gold und Unternehmensbeteiligungen (Aktien) steigen, weil der Zins als Anlagealternative fehlt.


Was könnte eine Lösung für den Anleger sein?

Gewohnheiten ändern. So schwer uns Menschen das auch fällt. Aber es ist an der Zeit umzudenken. Die meisten Anleger treffen einmal ihre Anlageentscheidungen und behalten diese dann langfristig bei. Sei es aus Bequemlichkeit oder Strategie. Oft bemängeln Anleger aber auch bei ihren Investitionen die Schwankungen im Tagesgeschehen oder übersehen einfach auch langfristig hohe Wertsteigerungen ihrer Investitionen.


Was kann man Ihrer Einschätzung nach konkret tun?

Investieren Sie in Dinge, von denen Sie zutiefst überzeugt sind und denen Sie auch weiterhin eine aussichtsreiche Zukunft bescheinigen. Das klingt erst einmal abstrakt, ist aber teilweise relativ simpel.
Beispiele: Sie bezahlen oder kaufen im Internet? Dann nutzen Sie wahrscheinlich Zahlungsdienstleister wie Paypal und bezahlen bargeldlos und genießen einen Käuferschutz, falls es Probleme mit dem Verkäufer gibt.
Sie sind Kunde einer Drogerie oder Apotheke, weil Sie für den Urlaub die Reiseapotheke erneuert haben? Schauen Sie sich auf der Rückseite der Verpackungen die Hersteller an. Sie werden Namen wie Novartis, Roche oder Pfizer finden.
Es gäbe hier noch zahlreiche Aufzählungen und für jeden wäre ein Beispiel dabei.

Das ist Ihnen zu mühsam? Dann beobachten Sie Trends in der Wirtschaft oder im ganz allgemeinen Leben. Selbst das Thema Corona ist hier „hilfreich“. Auf der Jagd nach dem neuen Impfstoff forschen zahlreiche Unternehmen. Dabei werden Millionen ausgegeben. Wo geht eigentlich das ganze Geld hin? Es wird zu großen Teilen in Ausrüstung, sprich Medizintechnik zu Forschung, investiert. Deshalb generiert diese Branche in der aktuellen Situation erhebliche Zusatzerträge. Aber auch ohne den „Corona-Effekt“ wird die Medizintechnik auch zukünftig stabile Erträge erwirtschaften, dabei sind Themen wie Telemedizin oder die Digitalisierung im Medizinbereich die neuen Geschäftsfelder.


Welche Entwicklungen sehen Sie zukünftig noch?

Weitere spannende Themen, die uns in Zukunft beschäftigen, sind aus unserer Sicht
• Robotik: die Fabriken der Zukunft sind hochtechnologisch
• Biotechnologie: (Volks)Krankheiten wie Krebs können anders behandelt werden
• Künstliche Intelligenz: Wieso weiß Amazon was Ihnen noch gefallen könnte?
• Regenerative Energien: Die Welt wird nachhaltiger werden.
• Multimedia: Onlinespiele und Videoplattformen verdrängen klassische Formate wie Fernsehen
• 3D-Druck
• Cybersecurity: Datensicherheit im Internet
• Internet of Thinks: die vernetzte IT


Wie kann der Anleger davon profitieren?

Investieren Sie in zukunftsweisende Unternehmen mit nachvollziehbaren Geschäftsmodellen. Seien Sie geduldig mit sich selber und messen Sie den Erfolg oder Misserfolg nicht täglich – geben Sie den Dingen einfach Zeit. Dann werden Sie mit Ihren Investitionen erfolgreich sein und die Sehnsucht nach Sparzinsen vergessen machen.

Quelle: www.wallstreet-online.de