Freie Presse Aue vom 01.12.2022:

Mirko Heinz hat 2021 seine Frau verloren. Seine Tochter Lina hat ein Handicap, weshalb ein anderes Auto nötig wird. Im Trauerzen-trum Lacrima Zwönitz geht es um Hilfe für Kinder. Dort wird dringend ein Treppenlift benötigt.

Von Beate Kindt-Matuschek und Heike Mann | Erzgebirge. Mitunter schlägt das Schicksal heftig zu, manchmal sogar mehrfach. Trotz alledem ist Mirko Heinz aus Hundshübel ein Optimist. „Was würde es ändern, wenn ich den Kopf in den Sand stecke?“, fragt der 48-Jährige und fügt stolz hinzu: „Ich hab‘ doch meine Mädels.“

Mirko Heinz aus Hundshübel mit seinen beiden Töchtern Lilli (l.) und Lina. Die Siebenjährige ist seit ihrer Geburt rechtsseitig gelähmt und somit auf den Rollstuhl angewiesen. Foto: ERZ-Foto/Georg Ulrich Dostmann

Sebastian Brückner leitet das Lacrima Trauerzentrum für Kinder in Zwönitz. Das braucht für behinderte Kinder einen Treppenlift. Foto: RONNY KUETTNER/photoron

Lilli ist elf Jahre. Bei ihr wurde ADHS, ein Aufmerksamkeitsdefizit, festgestellt. Sie braucht daher mehr Zuwendung als andere Kinder ihres Alters. Und dann ist da Lina. Die Siebenjährige. „Sie ist der Chef“, wie der Papa erklärt, und seine Augen leuchten. Sie sei ein echtes „Goldstück“, aufgeweckt, fröhlich, selbstbewusst, und sie fährt gern Auto.

Lina hat rechtsseitig eine Hemiparese, eine Halbseitenlähmung. „Die resultiert daraus, dass bei ihr noch im Mutterleib ein erhöhter Hirndruck diagnostiziert wurde“, berichtet Mirko Heinz. Schon vor der Geburt hätten die Ärzte den werdenden Eltern erklärt, dass das Baby dadurch beeinträchtigt sein kann. „Sie boten uns damals auch einen Abbruch an. Aber das kam für uns nicht infrage“, so der Vater. Und er fügt hinzu: „Das war übrigens die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben.“ Nach der Geburt sei Lina operativ mit einem speziellen Shuntsystem versorgt worden, das den Hirndruck reguliert.

Wenn Mirko Heinz von „wir“ spricht, dann meint er sich und seine verstorbene Ehefrau. Sie starb im Frühjahr 2021 an Krebs. „Ich hab‘ bis zum Schluss nicht gewusst, wie schlimm es wirklich um sie steht. Sie hat das alles von uns ferngehalten, sie wollte stark sein, uns nicht belasten“, erzählt er. Nach dem Tod seiner Frau hat er seinen Beruf aufgegeben, um von nun an voll für seine beiden Mädels da sein zu können. Inzwischen hat er bei der Diakonie Erzgebirge wieder einen Job gefunden, bei dem er Arbeit und die Kinder gut vereinbaren kann. „Ich bin Hausmeister für mehrere Pflegeheime und Einrichtungen der Diakonie“, so Mirko Heinz, der handwerklich ein Allrounder ist. Das alte Häuschen, in dem sie in Hundshübel wohnen, hat er Schritt für Schritt um- und ausgebaut. Doch weil der Hauskredit noch läuft, sei an einen zweiten Kredit für ein Auto derzeit nicht zu denken.

Lina ist auf den Rollstuhl angewiesen. Ihr rechtes Bein sei kürzer, und die rechte Hand nutze sie kaum. Doch sie will und macht vieles allein. Und sie fährt für ihr Leben gern Auto. Allerdings macht es das bisherige Familienauto nicht mehr lange. „Das ist jetzt 19 Jahre und hat uns immer zuverlässig kutschiert, aber die Sachen, die Lina braucht, passen bald nicht mehr rein“, sagt Mirko Heinz über seinen alten Audi. Daher ist er jetzt händeringend auf der Suche nach einer neuen Transportlösung für die Familie.

„Ich brauche ein Auto, das mehr Platz bietet, denn der Rollstuhl und auch der Essstuhl müssen mit, wenn wir mal verreisen wollten“, schildert der Vater sein derzeit größtes Problem. Dass er sich kürzlich selbst schwer verletzt hat und nun eine große Narbe auf dem Bauch hat, erwähnt er nur am Rand. „Das heilt schon wieder“, sagt der Mann, der einen sagenhaften Optimismus ausstrahlt. Das Fahrzeug könne gern ein gebrauchtes sein. Doch es sollte ein solider fahrbarer Untersatz sein, der noch einige Jahre zuverlässig rollt.

Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Doch manchmal braucht es lange Zeit, bis die Wunde, die der Tod eines nahen Angehörigen gerissen hat, verheilt ist. Bei einigen Kindern, die im Lacrima Trauerzentrum für Kinder in Zwönitz Hilfe erhalten, rechnet Einrichtungsleiter Sebastian Brückner damit, dass das durchaus drei bis vier Jahre dauern kann. „Das richtet sich ganz danach, wie schwer der Fall ist, wie eng der Bezug zum Verstorbenen war oder ob wieder ein Trauerfall eintritt“, erklärt er.

Die Einrichtung unter dem Dach der Johanniter-Unfallhilfe, Kreisverband Erzgebirge, betreut aktuell 17 trauernde Kinder. Darunter auch einen 14-Jährigen. Dieser lebt bei seiner älteren Schwester, denn nachdem er schon 2018 seine Mutter an den Krebs verloren hat, traf ihn dieses Schicksal noch einmal 2021 mit seinem Vater. Der 14-Jährige geht offen mit dem Verlust um, spricht darüber in Einzel- und Gruppengesprächen. Doch seine Betreuer wissen: „Da ist innerlich noch viel Wut, auf die Krankheit, auf Dinge, die wir nicht beeinflussen können.“

Das Leben hat es bisher mit dem Jungen nicht besonders gut gemeint: Nachdem die Eltern sich scheiden ließen, lebte er mit seinem Vater allein. 2014 erkrankte seine Mutter an Brustkrebs, sie wurde operiert, doch der Krebs hatte bereits gestreut und so verstarb sie kurz darauf. Ende April 2021 bekam sein Vater plötzlich starke Rückenschmerzen. Jetzt noch wütend macht den Jugendlichen, dass sein Vater sich zwar frühzeitig um eine MRT-Untersuchung bemüht hat, aber drei Monate darauf warten musste. Es wurde ein Tumor am Wirbelknochen festgestellt. Nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt hatte der Krebs seinen Vater besiegt. „Ich war jeden Tag bei meinem Vater und auch bei der Beerdigung. Ich denke, das ist gut, weil dir so Erinnerungen bleiben“, sagt der 14-Jährige. Die Begleitung von Lacrima in Anspruch zu nehmen, sei die Idee seiner Schwester gewesen. „Ich dachte, ich probiere das mal aus, und ich fühle mich hier wirklich wohl.“ Jetzt hat er mit den anderen Plätzchen gebacken. Jeder erzählte darüber, wie bei ihnen zu Hause Weihnachten gefeiert wird. „Manchmal fließen gerade da die Tränen, denn die Weihnachtszeit ist eng verbunden mit den Erinnerungen an den Verstorbenen“, so Betreuerin Katja Seifert.

Der Jugendliche gehört zur Gruppe der 14- bis 18-Jährigen. Es gibt zwei weitere Gruppen für Kinder von 4 bis 10 Jahren und 10- bis 14-Jährige. Die Nachfrage ist groß. Auf der Warteliste stehen elf Namen. Um auch Kindern im Rollstuhl den Zugang zu erleichtern, benötigt die Einrichtung dringend einen Treppenlift. Der kostet 20.000 Euro. Die Kinderstiftung Zwickau [Anmerkung: DRH Stiftung Kinderhilfe], mit der die Johanniter Unfallhilfe bei solchen Projekten zusammenarbeitet, würde 3000 Euro beisteuern.

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