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Der Dresdner Vermögensverwalter Rocco Damm über den besonderen Umgang der Ostdeutschen mit der Finanzkrise.

 

? Herr Damm, was ist besonderes am ostdeutschen Reichen?

Rocco Damm: Grundsätzlich gilt: Fast alle Vermögen wurden von denen erarbeitet, die heute über sie verfügen.

? Ist das im Westen anders?

Damm: Ja, der Prozentsatz an Vermögenden, die aus dem Elternhaus oder per Erbschaft über viel Geld verfügen, liegt im Westen bei über 50 Prozent, im Osten unter zehn Prozent. Ostdeutsche Vermögende sind in aller Regel nicht in wohlhabenden oder gar reichen Elternhäusern geboren. Kaum einer von denen, der hier erfolgreich im Beruf oder als Unternehmer ist, ist auf eine Eliteschule gegangen oder hat besondere Privilegien in der Ausbildung genossen. Die Wohlhabenden hier sind ganz normal sozialisiert.

Ostdeutsche investieren konservativer

? Was folgt denn daraus für die Finanzkrise?

Damm: Unsere Mandanten sind vielleicht weniger abgehoben als die Eliten im Westen. Exzesse, wie die Optionsmodelle in den Bezahlstrukturen von Managern stoßen hier auf vehementes Unverständnis auch unter Gutverdienenden. Und vielleicht ist die Solidarität in der Krise ein Stück größer. Wir haben gerade jetzt zum Beispiel keine Schwierigkeit, für unsere Stiftung, die benachteiligten Kindern hilft, Spendengelder von unseren Mandanten zu bekommen.

? Sind ostdeutsche Vermögende besser durch die Krise gekommen als die Reichen von drüben?

Damm: Was wir wissen, ist, dass im Zeitraum von 2002 bis 2007, also vor der Krise, die Vermögen im Osten geschrumpft und im Westen gestiegen sind. Die fünf Prozent Reichsten im Westen haben ihr Nettovermögen von 800.000 auf rund 900.000 Euro steigern können, wohingegen die fünf Prozent wohlhabendsten Ostdeutschen eine Reduzierung von 300.000 auf 250.000 Euro hinnehmen mussten. Für die Zeit der unmittelbaren Krise ab 2008 vermute ich eine Umkehrung der Trends.

? Warum?

Damm: Zum einen haben viele Industrien und Immobilien im Westen besonders verloren. Zum anderen scheinen mir Vermögende im Osten krisenresistenter angelegt zu haben.

Durch Krisenerfahrung klug

? Was haben die Ostdeutschen denn besser gemacht?

Damm: Sie haben zum Beispiel mit ihrer ganzen Katastrophenerfahrung pragmatischer auf die Finanzkrise als viele im Westen reagiert. Die Wechselbereitschaft von privaten Banken zu Sparkassen und Volksbanken einerseits, sowie zu unabhängigen Vermögensverwaltern andererseits ist im Osten stärker ausgeprägt, das zeigen Untersuchungen etwa des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter oder des ostdeutschen Sparkassenverbandes. Dabei verlassen die Vermögenden im Osten ihr angestammtes Institut nach meinen Beobachtungen aber nicht vollständig. Sie verteilen ihre Eier auf mehrere Körbe. Das ist ja auch sehr vernünftig.

? Sind ihre Depots weniger riskant?

Damm: Das glaube ich. Dafür spricht übrigens auch, dass Berater und Vermögende hier tendenziell die gleichen Wurzeln haben, gleich sozialisiert sind. Das zahlt sich in der Krise aus. Denn so wächst leichter Vertrauen und dann kann es sich der Verwalter auch leisten, ein realistisches Risiko/Chance-Verhältnis in der Beratung in Aussicht zu stellen, ohne fürchten zu müssen, das Mandat zu verlieren.

Damm hat weniger Renditedruck

? Wollen Sie damit sagen, dass im Westen Vermögensverwalter mit unrealistischen Chance/Risikoverhältnissen operieren?

Damm: Nein, ausdrücklich nicht. Aber ganz klar ist der Renditedruck für Kollegen in den alten Bundesländern höher. Um dem gerecht zu werden, mussten tendenziell höhere Risiken eingegangen werden. Das war in guten Börsenzeiten gut und ist in schlechten Börsenzeiten schlecht.

? Haben ihre Mandanten kein Geld verloren?

Damm: Auch viele unserer Mandanten haben geringere Vermögenswerte als vor einem Jahr. Aber wir hatten viele Sicherheits- und Garantiekonzepte in den Depots. Natürlich ist niemand begeistert, wenn er verliert. Aber ich kann sagen: Unter dem Strich ist das von uns neu verwaltete Vermögen um 15 Prozent gestiegen. Wie andere Kollegen im Osten haben wir Kunden gewonnen.

? Woher kamen die?

Damm: Die meisten von privaten Banken.

? Warum haben Ihre Kollegen aus dem Westen nicht so viele Kunden von Banken gewonnen? Da ist die Unzufriedenheit doch mindestens genauso groß.

Damm: Ich vermute zum einen, dass die Vermögen in der Krise schneller geschrumpft sind. Hinzu kommt: Hier im Osten wird jemand allein wohlhabend, er kennt nicht schon andere Wohlhabende von der Schule usw. Viele gehen dann auch zum Vermögensverwalter, weil sie an einer Vernetzung interessiert sind. Wir organisieren deswegen regelmäßig den Dresdner Salon, bei dem zuletzt der bekannte TV-Journalist Jürgen Engert den Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes Halle vor unseren Kunden und Gästen interviewt hat. Diese krisenunabhängige informative Funktion des Vermögensverwalters ist im Westen längst nicht so ausgeprägt.