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Hallorenkugeln und Mifa-Räder

Die ostdeutsche Industrie hat insgesamt weniger börsennotierte Unternehmen als die westdeutsche. Zu ihrer genaueren Beobachtung wurde vor einigen Jahren der ostdeutsche Aktienindex aufgelegt.

In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die ostdeutsche Wirtschaft anders entwickelt als die westdeutsche. Es gibt hier deutlich weniger größere Unternehmen und am Aktienmarkt sind die ostdeutschen eindeutig unterrepräsentiert; zudem entwickeln sich ihre Wertpapiere seit Beginn der Neunziger schleppender als westdeutsche. Als bis 2000 einige Unternehmen aus dem Osten an die Börse gingen, wurde das vielfach als Anzeichen dafür gewertet, dass es mit den von Altbundeskanzler Kohl versprochenen blühenden Landschaften doch was werden könnte. Darunter war die lntershop Communications AG aus Jena, Anbieter von E-Commerce-Produkten. Ihr Börsengang war 1998, das Papier schnellte in die Höhe. Der Zusammenbruch des Neuen Marktes machte auch der Firma zu schaffen – der Kurs sank schließlich in die Tiefe. Die Q-Cells-Aktie hat eine ähnliche Berg- und TaIfahrt erlebt, von rund 80 Euro Ende 2007 fiel ihr Wert auf unter einen Euro. Anfang 2012 wurde sie aus dem TecDax ausgeschlossen.

Kein Vergleich von Ost und West

Insgesamt gibt es dreißig börsennotierte Unternehmen, die ihren Sitz in Ostdeutschland haben. Sie sind im Ostdeutschen Aktienindex zusammengefasst. Er wurde 2008 gegründet. um deren Wertentwicklung zu beobachten. Sie wird einmal monatlich von der in Dresden sitzenden unabhängigen Vermögensverwaltung Damm|Rumpf|Hering gemessen, die den Index mitkonzipiert hat. Während sich in der Branche mancher wundert, weshalb auf diese Weise ein ostdeutscher Wirtschaftsraum konstruiert wird, ist dies gar nicht das Ziel: „Wir glauben, dass die Entwicklung der Wirtschaft auch im Osten abgebildet werden muss, und zwar mit echten ostdeutschen Unternehmen, die nicht nur Tochterfirmen westdeutscher darstellen“, sagt Lutz Hering. Ebenfalls geht es nicht darum, Ost und West miteinander zu vergleichen. „Über zwanzig Jahre nach der Wende denken wir nicht mehr in diesen Kategorien. Dennoch ist es beeindruckend zu sehen, wie manche sich innerhalb kurzer Zeit vom VEB zum Aktienunternehmen hochgearbeitet haben“. Elmar Peine, promovierter Volkswirt aus Berlin, ein weiterer Kopf hinter dem Index, sieht die Vergleichbarkeit angesichts einiger westdeutscher Schwergewichte nur bedingt gegeben: „Der Vergleich ist nicht das primäre Anliegen, es geht vielmehr um Dokumentation.“

Krise der Solarbranche

Der ostdeutsche Aktienindex enthält: vier Branchen. Am besten läuft derzeit der Bereich Medizintechnik. Außerdem gibt es traditionelle Marken wie Halloren oder Mifa und weitere Unternehmen aus dem Bereich Film und Kunst. In den letzten fünf Jahren hat sich der Index etwas schlechter entwickelt als vergleichbare gesamtdeutsche Aktien. Dies ist vor allem auf die vierte Branche, die erneuerbaren Energien, zurückzuführen, die im Osten stark vertreten sind und die mit der Krise der Solarbranche gelitten haben.