Schwäbische Zeitung
Unternehmen aus den neuen Bundesländern am Kapitalmarkt meist erfolglos – Erblast der unternehmerfeindlichen DDR
Vier Jahrzehnte DDR haben der Wirtschaft in Ostdeutschland zugesetzt. Von einer Börsenkultur kann dort auch 25 Jahre nach dem Mauerfall keine Rede sein. Der Osten und die Börse passen nicht so recht zusammen.
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„Alle Finanzinstitute waren staatlich – ein selbständiges Unternehmertum war unerwünscht“, sagt Vermögensverwalter Lutz Hering aus Dresden.
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Viele Universitäten in Ostdeutschland haben einen guten Ruf. Städte wie Dresden und Leipzig entwickeln sich prächtig. Etliche Medizintechniker oder Maschinenbauer aus den neuen Bundesländern sind international konkurrenzfähig. Doch mit der Börse, da hapert es im Osten. Woran das liegt, darüber sprach Steffen Range mit Lutz Hering von der Dresdner Vermögensverwaltung Damm|Rumpf|Hering.
Warum sind ostdeutsche Unternehmen an den Börsen unterrepräsentiert?
25 Jahre ist zwar ein langer Zeitraum, aber für ein Unternehmen meist nur eine kurze Wegstrecke. Schaut man historisch die Nachwendezeit an, dann stellt man fest, dass alle großen Betriebe als VEB, volkseigener Betrieb, oder LPG, landwirtschaftliche Produktionsgemeinschaft, betrieben wurden. Selbstständige Betriebe oder Firmen waren staatlich nicht gewollt und deshalb eher Mangelware.
Aber ab 1990 wurden Firmen doch privatisiert?
Als nun VEBs und LPGs in die Marktwirtschaft entlassen wurden, galt es zuerst alte Eigentumsansprüche zu klären, denn oft wurden Gebäude und Land zu DDR-Zeiten „zwangskollektiviert“. Danach galt es zu prüfen inwiefern die Produkte der Betriebe unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bestehen konnten. War diese Prüfung positiv, galt es eine Führungsmannschaft zu finden, welche das Risiko einging, den Betrieb von der Treuhand zu kaufen. Meist wurden solche Transaktionen über Kredite abgedeckt und dazu Rechtsformen wie GmbH, OHG oder GbR gewählt. Danach begann für die meisten ein steiniger Weg, um bestehen zu können. Waren Produkte und Firma erfolgreich, konnte man auch vermehrt Investoren gewinnen. Die Beteiligung dieser konnte nun natürlich über eine klassische AG mit Börsengang erfolgen.
Hätte man 1990 die Weichen auch anders stellen können, um die Börsenkultur zu fördern?
Zum einen hätte man die Privatisierung beschleunigen müssen, da einige Betriebe aufgrund der ungeklärten Situation nicht handlungsfähig und dadurch irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Zum anderen waren teilweise die Prüfungen der Konzepte und der eigentlichen Käufer unzureichend. Der Anreiz und Lockruf staatlicher Subventionen haben teilweise die falschen Investoren angelockt. Ein ganzes Land in Kürze auf ein anderes Wirtschaftssystem umzustellen und zu privatisieren, war eine zu große Herausforderung, als dass sie hätte vollumfänglich gelingen können.
Wäre mehr Börsenkultur gut gewesen für die Entwicklung der Wirtschaft im Osten?
Eine Börsenkultur wäre sicherlich hilfreich gewesen, aber sie war nicht vorhanden. Alle Finanzinstitute waren staatlich – ein selbstständiges Unternehmertum unerwünscht. Produzierende Gewerbe waren Gemeinschaftseigentum, Volkseigentum. Was der Entwicklung der börsengehandelten Unternehmen mehr als die Börsenkultur geschadet hat, waren die beiden Krisen Anfang der Nuller-Jahre, die viele der zarten Pflanzen zerstörten. Ich denke an Sachsenring, Mühl, Pixelnet. Oder auch die Krise der Erneuerbaren Energien 2011/2012, die Q-Cells und Solon ausradierten und deren Zulieferern schwer zugesetzt hat.
Wie ist das heute: Wird bei jüngeren Firmen häufiger ein Gang an die Kapitalmärkte in Erwägung gezogen? Oder bevorzugt man andere Formen der Finanzierung?
Mittlerweile werden alle Finanzierungsformen genutzt. Ist das Unternehmen groß und interessant genug für Kapitalgeber, dann geht die Mittelbeschaffung natürlich auch über einen Börsengang. Zuletzt wagte das Unternehmen Probiodrug den Sprung aufs Parkett und ist nun seit etwa einer Woche an der Börse in Amsterdam gelistet.
Welche börsennotierten Firmen aus Ostdeutschland halten Sie für vielversprechend?
Geratherm zum Beispiel. Sie sind führend im Bereich der medizinischen Temperaturmessung.
Die eben genannten Probiodrug. Sie forschen an Medikamenten zur Bekämpfung von Alzheimer.
Dann Jenoptik. Sie sind tätig im Bereich optische Systeme, industrielle Messtechnik, Verkehrssicherheit sowie Verteidigung und zivile Systeme.
Welche Branchen werden sich gut entwickeln in Ostdeutschland?
Wir als Vermögensverwaltung bevorzugen bei der Analyse den Bottom-up Ansatz, das heißt, wir können eher für einzelne Unternehmen sprechen als über ganze Branchen. Uns ist dennoch aufgefallen, dass die Stärken eher im Bereich Forschung und Entwicklung liegen, da es hier auch schon zu DDR-Zeiten in einigen Bereichen Kernkompetenzen gab, welche auch im weltweiten Vergleich sehr gut abschnitten. Dies spiegelt sich auch in unserer kleinen Auswahl, die ich eben genannt habe. Aus der Vergangenheit der letzten 25 Jahre kann man sagen, dass sich der Bereich Medizin am besten entwickelt hat. Das sind gut aufgestellte Unternehmen, die ertragreiche Nischen besetzen, wie Geratherm und Jenoptik, oder auf dem Weg in den Dax sind, wie Carl Zeiss Meditech. Sie haben noch gute Zeiten vor sich.